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Latridiidae & Merophysiidae

Phylogenie der Latridiidae

Gedanken zur stammesgeschichtlichen Entwicklung der Latridiidae - Wolfgang H. Rücker

Das erdgeschichtliche Alter unserer Käfer ist sehr umstritten, da es bisher keine fossilen Funde über einen Urkäfer gibt. Daraus folgt, daß die Aufstellung eines phylogenetischen Systems sehr hypothetisch ist. Die ältesten Insekten überhaupt stammen aus dem Carbon, der Steinkohlenzeit, vor etwa 500 Mill. Jahren, bei denen es sich um schaben- und libellenartige Insekten mit teilweise einer Flügelspannweite von bis zu 75 cm handelte. Diese Tiere konnten die carbonischen Cryptogamenwälder konkurrenzlos besiedeln. Erst im Mesozoikum finden wir Vorläufer unserer heutigen Insektenordnungen mit noch zunächst unvollkommener Metamorphose, wie Schaben (Blattoidae), Wanzen (Heteroptera) oder Eintagsfliegen (Ephemeroptera) denen später die ersten Fliegen (Diptera), Netzflügler (Neuropteroidea), Schmetterlinge (Lepidoptera) und Käfer (Coleoptera) mit vollkommener Metamorphose folgten. Vor ca. 200 Mill. Jahren im Trias in der Formation des Jura und der Kreide hat man die ersten fossilen Käfer gefunden, die an unsere heutigen Buprestidae, Elateridae oder Carabidae erinnern. Die eigentliche Entwicklung unserer heutigen Insekten setzte vermutlich erst mit der Entwicklung der Laub- und Blütenpflanzen am Anfang der Kreidezeit ein, die aber erst richtig im Tertiär zur vollen Entfaltung kam. Schon im ältesten Tertiär, im Eozän, ca. 50 Mill. Jahre vor heute, entstanden eine sehr große Anzahl von Käfergattungen. Aus dem Oligozän sind immerhin schon mehr als 1200 Käfergattungen bekannt. Im baltischen und auch dominikanischen Bernstein aus dem Eozän, ca 40 – 50 Mill. Jahre vor heute, finden wir eine große Anzahl von
verschiedensten Gattungen der Käferfamilie Latridiidae und Merophysiinae (Endomychidae) wobei der Hauptanteil der Bernsteininsekten auf Fliegen und Mücken entfällt (ca. 60 – 80 %), der Anteil der Käfer insgesamt nur etwa 4 – 6 % ausmacht und der Anteil der Latridiidae vielleicht nur 0,2 % ausmacht. Diese Käfer, meist sehr gute Flieger, flogen die blutenden Bäume an, was übrigens einige Gattungen unserer heutigen Latridiidae auch noch gerne tun und wurden so in einem honigfarbenen Sarkophag eingeschlossen. Die meisten dieser tertiären Käfergattungen sind heute aus Mitteleuropa verschwunden und sind nur noch in tropischen und subtropischen Regionen anzutreffen, ein weiterer Beweis dafür, daß in der Tertiärzeit in Mitteleuropa ein mehr oder weniger tropisches Klima geherrscht haben muß. Viele dieser Gattungen sind ausgestorben oder nur noch auf tropische und subtropische Regionen beschränkt, aber auch viele Gattungen haben sich bis heute im eurosibirischen, nord- und mitteleuropäischen Raum gehalten. Daraus kann man schließen, daß ein großer Teil der heutigen Käfergattungen generisch bereits seit der Tertiärzeit in Nord- und Mitteleuropa heimisch ist. Meine Studien zahlreicher Bernstein-Latridiiden lassen die Vermutung zu, nicht nur die Gattungen unserer heutigen Latridiidae waren im Tertiär in ihrer Entwicklung schon fertig, sondern es könnten sich auch einige Arten bis heute unverändert erhalten haben. Beweise dafür könnten allerdings nur ausgefahrene Sexualorgane der Männchen (Aedoeagus) liefern. Da diese Organe bei der Familie Latridiidae durchweg sehr charakteristisch und fest chitinisiert sind, könnte man vielleicht einmal in einem Einschluß ein Tier entdecken, bei dem der Aedoeagus im Todeskampf ausgefahren wurde. Diese Ansicht ist zwar rein hypothetisch, könnte aber bei sichtbarem Aedoeagus bei einigen Arten der Gattungen Latridius, Cartodere, Enicmus oder Melanophthalma, bei denen keine morphologische Unterschiede der Bernsteintiere zu rezenten Arten erkennbar sind, bestätigt oder auch widerlegt werden.
Rohbernstein
Bernstein mit Pilzmücke (Mycetophilidae) und Ameise
Bernstein mit Latridius jantaricus