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Latridiidae Erichson, 1842
Kurzbeschreibung
Diagnose (Diagnosis)
Kleine, von 0,50 bis 3,2 mm große Käfer, die sich aufgrund ihrer
sehr vielgestaltigen Form nur sehr schwer global beschreiben
lassen. Doch sind die einzelnen Gattungen wieder so
charakteristisch, dass man meist schon anhand der Habitusbilder
diese, als eine Latridiidae erkennen wird.
Die vorderen Hüfthöhlen sind hinten immer geschlossen, die
Hinterhüften quer, die Trochanteren kurz.
Abdomen mit sieben Paar funktionellen Stigmen.
Tarsen der Männchen und Weibchen sind bei allen Gattungen
3–3–3, einzige Ausnahme bei den Gattungen Revelieria Aubé und
Adistemia Fall, 1899, mit einer Tarsenformel bei den Männchen
2–3–3 und bei den Weibchen 3–3–3 (Rücker & Sergi 2013). Die
sehr nahe verwandten Gattungen Dicastria Dajoz, 1967 und Eufallia
Muttkowski 1910 haben wieder, die bei den Latridiidae übliche
Tarsenformel 3–3–3 bei Männchen und Weibchen.
Kopf hinten eingeschnürt und mit kurzer in den Halsschild
zurückgezogenen Halspartie. Die Augen rundlich, grob oder fein
facettiert, die Schläfen meist gut entwickelt, mitunter aber auch
völlig fehlend oder nur durch eine schmale Kante, eben gerade
noch erkennbar angedeutet. Die fast immer elfgliedrigen Fühler
immer von oben sichtbar, frei an den Vorderecken der Stirne,
mitunter in großem Abstand von den Augen nach vorne eingefügt.
Die Keule meist zwei- bis dreigliedrig. Die Oberlippe vortretend und
quer, meist sehr gut von oben zu sehen.
Halsschild sehr variabel und bei den einzelnen Gattungen sehr
verschieden, mit auffallend kräftiger Struktur, Höckern und Kielen,
oder eingeschnürt mit einem Hautsaum bei Aridius und
Stephostethus oder mit einem weißen Sekret auf Halsschild und
Unterseite bei Metophthalmus oder an den Seiten glatt, winkelig
oder gerundet mit kleinen Zähnchen, oft in der Mitte mit einem
kleinen Grübchen vor der Basis bei Corticaria, Corticarina, Bicava
und Melanophthalma. Ebenso verschiedenartig sind die
Flügeldecken mit ihren Punktreihen, Börstchen und Haaren.
Ökologie (Ecology)
Über Lebensweise und Verbreitung ist mit Sicherheit noch längst
nicht alles erforscht und bekannt. Doch scheinen alle
vorkommenden Arten mycetophag zu sein und sich vom Mycel und
deren Sporen, besonders niederer Pilze zu ernähren. Da Mycelien
und deren Sporen fast überall vorkommen wird man diese Tiere
auch überall in den unterschiedlichsten Biotopen finden können.
Mir scheint jedoch, dass auch hier gewisse Spezialisierungen auf
gewisse Pilzarten, Feuchtigkeitsgrad und Temperatur vorhanden
sind. Man findet die Latridiidae in fast allen vom Schimmel
befallenen und in Zersetzung befindlichen Vegetabilien, wie Gras-
Stroh- und Heuhaufen, Pflanzenabfällen, Komposthaufen und
Schilf. In morschem Holz (in Ameisengängen), Baumstubben, unter
Rinde verpilzter Bäume, an Reisig, unter Laub, in Vogelnestern,
Nestern von Kleinsäugern, aber auch synanthrop in Wohnungen,
Ställen, Feldscheunen, auf Dachböden in alten Wespennestern. Im
Herbst (Monate September bis November) kann man viele Arten,
mitunter in größerer Anzahl, aus alten noch stehenden Pflanzen
und Disteln aus deren verdörrten Blütenköpfen sieben. Aus
Fichtenzapfen die schon alt und vermodert, mit Reisig vermischt
sind, wird man viele gute Arten sieben können. Abgestorbene und
verschimmelte Blätter von geknickten Ästen, frisch abgeschälte
Rinde oder auf den frisch geschälten Baumstämmen sind bei
warmen und sonnigem Wetter beliebte Aufenthaltsorte dieser Käfer.
Ergiebige Sammelergebnisse hatte ich immer wenn ich in den
Sommermonaten Gras- oder Heuhaufen an Waldrändern auslegte
und diese dann im Herbst oder Winter gründlich siebte.
Alte offene Feldscheunen, heute leider eine Seltenheit geworden, in
denen Heu oder Stroh gelagert wird oder wurde sind besonders in
den Wintermonaten sehr ergiebige Fundorte. Bauernhöfe in deren
Scheunen noch Heu und Stroh eingelagert wird, bieten nicht nur
für Latridiidae einen Lebensraum, den es sich lohnt zu erforschen.
Häufig werden in bewohnten Räumen, auch unter feuchten,
schimmelnden Tapeten oder wo Lebensmittel gelagert werden,
Latridiidae gefunden und als Schädlinge bezeichnet.
Schädlinge sind die Latridiidae keinesfalls, sondern ein Indiz dafür,
dass hier Schimmel, Mycelien oder Schimmelsporen vorhanden
sind. Dies ist die Lebensgrundlage aller Latridiidae.
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Cartodere nodifer Metophthalmus lacteolus
(Westwood, 1839) Motschulsky, 1866
Euchionellus zanzibaricus Stephostethus angusticollis
(Belon, 1887) (Gyllenhal, 1827)
Corticaria pharaonis Melanophthalma proximulata
Motschulsky, 1867 Rücker, 1980
Verbreitung. Es gibt kaum eine Region in der keine Latridiidae
vorkommen. Von den gemäßigten Regionen, tropischen Regionen
bis zu den marinen (Canada: Nova Scotia) und teilweise arktischen
Regionen finden sich, falls Schimmel vorhanden, Latridiidae ein.
Selbst in alpinen Regionen über 4.000 m, ob in den Anden in der
Paramo Region, in Afrika auf dem Kilimanjaro oder in Papua New
Guinea auf dem Mt. Wilhelm mit seinen 4509 m, wurden in 3900 m
Höhe noch Latridiidae gefunden. Ja selbst von Grönland wurden
mir Aridius nodifer und Thes bergrothi mitgebracht, die unter der
Treppe einer der typischen Häuser auf Grönland, in alten
Grasbüscheln lebten.
Diversität (Diversity)
Von der Familie Latridiidae, die in ihrem bisherigen Umfang mit 30
Gattungen und ca. 800 Arten über die ganze Erde verbreitet ist,
kann man in Europa 17 Gattungen mit 181 Arten und in
Deutschland noch 14 Gattungen mit 85 Arten finden.
Dies bedeutet aber nicht, dass hiermit die Anzahl der Arten
erschöpft wäre. Gerade in den tropischen Regenwäldern, den
Baumkronen dieser Wälder, die einen eigene Lebensraum
darstellen, oder die Tafelberge in Südamerika, die ebenfalls einen
eigenen in sich geschlossenen Lebensraum darstellen, die
unendlichen Wälder Nordamerikas, Sibiriens, oder die Weiten der
Steppen und Tundren, alles unerforschte Regionen, die noch eine
Fülle unbekannter, kleiner und kleinster Lebewesen, nicht nur aus
der Käferfamilie Latridiidae, beherbergen.
Hier gibt es nach meiner Einschätzung noch unzählige neue Arten
zu entdecken.